Stadtgalerie Dom Umeni | Budweis/Tschechien1996
Hartwig Mülleitner arbeitet äußerst konsequent an der durch das Material geprägten Form des geometrisch Reinen und das in einer sehr einfach erscheinenden Logik. Sein Konzept ist hier zugleich Arbeitsmethode: Aus einem massiven Ganzen gefällt, geschnitten, gespalten und gedübelt, Ringe einer wiedergewonnenen Ganzheit zu konstruieren – dem natürlichen Zweck enthoben, einer neuen Erfahrung, einem kreativen Zweck dienend.
Die vergängliche Eigenheit des Materials und der in den Jahresringen ablesbare Faktor Zeit spiegeln sich bei seinen Arbeiten in Holz immer wieder in Darstellung und Thematik.
Die Arbeiten in Holz sind wie auch Hartwig Mülleitners Steinarbeiten in dem Kontext Teilung – Korrespondenz – Zugehörigkeit entstanden. Dazu brachten mich auch die Ausführungen des Künstlers selbst, wenn er von Teilung – auch der durchaus aggressiven Teilung des Materials – spricht als einem Ganzheitsverlust, der erst Neues ermöglicht.
Das Ergebnis: aus einem von der Geschichte gezeichneten Material in Ringen und Schleifen neu kombinierte, elementare Symbole: der Zeit, Ganzheit, Einheit, des Unendlichen und des Immerwiederkehrenden.
Ache 700 Lengfelden | Salzburg/Österreich 1999
Die Kulturinitiative Ache 700 hat sich im Jahr 2000 in und auf dem ehemaligen Fabriksgebäude und -gelände der Kartonfabrik „Dietz“ am Stadtrand von Salzburg angesiedelt. Auf 700 qm finden sich Ateliers und eine Galerie. Lengfelden liegt an der Peripherie der Mozartstadt, bildet den Übergang vom urbanen in den ländlichen Raum und gilt als für den Naherholungsraum Salzburg verlorenes Gebiet.
Außenraum und Umgebung werden von den Künstlerinnen und Künstlern immer wieder gezielt in ihre Arbeiten integriert. So organisiert die Initiative beispielsweise jedes Jahr „Fischachbegehungen“. Die Fischach, ein durch den Ortskern von Lengfelden geleiteter Flusslauf, bietet dabei den Ausgangspunkt für die Veranstaltung, die dem Anspruch des Kulturgeländes als eine offene Institution im Kontext der Schnittstelle zum nichturbanen Raum Rechnung tragen möchte. Das Augenmerk liegt dabei auf den unterschiedlichen Aspekten des Suburbanen. Die Natur wird inmitten des Industriegebietes als Zone des Übergangs thematisiert und gilt als offenes Gegenüber zum zivilisatorischen Umgang.
Hartwig Mülleitner steigt in seine Arbeit für die Fischachbegehung im Jahr 2000 ein, indem er den Lauf des kleinen Flusses entlangwandert – und zwar gegen den Strom. Aufgrund seiner vielseitigen Beschäftigung und Arbeit mit Stein ist ihm schon lange bewusst: Arbeiten mit Stein ist Arbeiten mit Zeit. Darum nimmt er sich auch diesmal die notwendige Zeit, setzt sich auf einen Stein, schaut auf das Wasser und beginnt zu philosophieren: Der Strom des Wassers symbolisiert den Verlauf von Zeit. Wenn man in die Bewegung schaut, den kleinen Wellen und Strudeln mit den Augen folgt, verliert man (sich) irgendwann (in der) die Zeit.
Diese Erfahrung nützend, möchte er nun den Versuch starten, das Phänomen umzudrehen, indem er eine Möglichkeit findet, die verlorene Zeit „zurückzudrehen“. In dem Wissen, dass der Bach viel Zeit benötigt, um Steine und Geröll weiter nach unten zu transportieren, schafft Mülleitner Steine zurück in den oberen Flusslauf und „gewinnt“ damit Zeit. Der Künstler „schmeißt“ die Steine aber nicht einfach in den Fluss zurück, sondern ordnet sie, auf Eisenstäben befestigt, kreisförmig, in augenfällig widernatürlicher geometrischer Form mitten im Flusslauf an, wo sie vom fließenden Wasser „bewegt“ werden. Diese Bewegung ist aber so minimal, dass sie auf den Betrachter wie eine optische Täuschung wirkt. Die Steine scheinen zu schwimmen und sanft vom Wasser hin und her gewiegt zu werden. Hartwig spielt mit den Gegensätzen leicht und schwer, möglich und unmöglich, Natur und Menschenhand, Fiktion und Realität – und damit einmal mehr mit seinen Betrachtern.
Salzburg/ Österreich 18.06.-09.07.1998
Die Berchtold-Villa, in der die Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Salzburgs ihren Sitz hat, lud im Sommer 1998 vier Künstlerinnen und Künstler ein, sich dem Thema Raum individuell anzunähern.
Hartwig Mülleitner beschäftigte sich mit dem Gedankenaustausch zwischen dem Innen und Außen – wobei er sich im ersten Teil seiner Installation dem Bedürfnis des Menschen widmete, die Natur in den Wohnraum zu integrieren. Wie gepflückte Blumen schmückt ein Ring geschlagener Jungbäume das ehemalige Esszimmer, dessen Decke der Maler Karl Weiser gestaltete, als er in den 1950ern die Villa bewohnte. Die grüne Zimmeroase zerbröselt allerdings schon bald im wahrsten Sinne des Wortes. Mit jedem Tag und jedem Besucher mehr, der die Bäume streift, fallen zunehmend trockenere Blätter auf den Parkettboden. Ameisen, Käfer und andere Organismen, die sich aus der trockenen Erde „retten“, verenden in den Ecken des Raumes. Der Künstler geht aber noch weiter. Hatte er einerseits die Natur ins Haus geholt – als Versinnbildlichung von „Tod“ –, stellte er in einem zweiten Schritt das Wohnzimmer mitten in die Natur. Aus dem Fenster seines Ausstellungsraumes sieht man in den Garten, in dem er einen Ring aus Polstermöbeln, Schrank, Couchtisch, Stehlampe und Fernseher aufgebaut hat – ein Nest aus Möbelelementen und Wohnlichkeit, die dem Arrangement im Laufe der Ausstellung abhanden kommt: Auf den Polstermöbeln bilden sich schon bald algenartige Schwämme – der Regen ruiniert aber nicht nur die Stoffe und Möbel, sowohl Stehlampe als auch der Fernseher erlöschen.
So wenig die Natur auf Dauer im Innenraum überleben kann, so wenig halten die für den Wohnraum konzipierten Stücke der Natur stand. Das Motiv des Fensters als Verbindung von innen und außen, Inversion, Abgrenzung und Ausgrenzung – all das sind Themen, die mit der Installation in Verbindung gebracht werden.
Und letztlich bleibt die Erkenntnis: Naturräume sind dort, wo wir Frieden, Freiheit und Unversehrtheit zu finden hoffen – oft sind das allerdings auch nur künstliche Paradiese.
Salzburg/ Österreich 25.02.–08.03.1999
Eine Stadt ist ein lebender Organismus, in dem alle Organe in einem harmonischen Zusammenspiel wirksam sind. Bei oberflächlicher Betrachtung ist Salzburg ein funktionierender Organismus – ein schöner noch dazu. Wie schaut es aber im Inneren aus? Alles, was schön ist, ist nicht immer wirtschaftlich – und gewiss ist wirtschaftlich nicht immer schön. Sieht ein Kompromiss so aus, dass immer mehr Geschäfte in die Vororte auswandern? Wem gehört die Stadt? Heißt Besitz auch Verantwortung? Gibt es Leben hinter den Fassaden?
Geplant war, für die Räumlichkeiten der Internationalen Salzburg Association eine Videoinstallation zu realisieren, die das Leben in der Stadt und das Sterben des Stadtlebens in einer kritischen Betrachtung in den Mittelpunkt stellt.
Hartwig Mülleitner hat seine Arbeit in zwei Teile unterteilt, die in Bezug zueinander ein Ganzes bilden. Ein Teil der Installation ist ein Nest mit einem darin liegenden Bildschirm. Das Nest ist aus zertrümmertem und zersägtem Holz geflochten, das von Möbeln aus leerstehenden Geschäften und Wohnungsverlassenschaften stammt.
Der zweite Teil ist ein Videofilm, der im Kaiviertel – einem Stadtteil der Salzburger Altstadt – gedreht worden ist. Gefilmt wurden leerstehende Geschäfte und Geschäftsauslagen des damals sehr unbelebten Kaiviertels.
Der Film ist eine Art Collage. Wie in der Technik eines Malers legt der Künstler Schicht für Schicht immer wieder über das bereits vorhandene Material. Das geschnittene Video wurde wieder gefilmt und über das bereits vorhandene gelegt. Der dabei entstandene Qualitätsverlust wurde dabei bewusst in Kauf genommen: Es ist nicht mehr wichtig, welches Geschäft gerade im Bild ist – viel wesentlicher ist es, die Leere und den Verlust von Lebendigkeit zu spüren, die droht, von einem ganzen Stadtviertel Besitz zu ergreifen.
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„Grünes Gewölbe“ Residenzschloss | Dresden/Deutschland 14.07.–28.07.2002
Hartwig Mülleitners Faszination durch Pflastersteine hat ihren Ursprung in Ostdeutschland, wo es kurz nach dem Fall der Mauer in vielen Gebieten schien, als sei die Zeit stehen geblieben. Statt asphaltierter Straßen schlängelten sich gepflasterte Wege durch das Land; Kilometer um Kilometer Granite und Bachsteine.
Diese Geschichte(n) nimmt der Künstler mit seinen Pflasterstein-Skulpturen auf. Dabei ergibt sich für den Betrachter ein ähnliches Phänomen wie bei einem Eisberg: Er kennt häufig nur seine Spitze, nicht aber jenen Teil, der sich unter der sichtbaren Oberfläche verbirgt.
Arbeiten mit Stein ist Arbeiten mit Geschichte. Hartwig Mülleitner will uns die Geschichten, die diese Steine erzählen können, wortwörtlich näher bringen.
Millionen von Jahren alte Entstehungsgeschichte – aus dem Berg gebrochen, rau und grob, zu Kuben zugehauen zur weiteren Verwendung als Pflaster und Randsteine, die Masse in der Erde verborgen, mit Zement aneinandergefügt, blank poliert durch Autos und Menschen, Sommer und Winter, Regen, Sonne und Schnee und vor allem Zeit – all das ist an diesen Steinen ablesbar. Wo mögen diese Steine wohl ihre Zeit verbracht haben? Was alles haben diese Zeitzeugen wohl erlebt? Die Niederschrift der Geschichte dieser stillen Beobachter am Straßenrand macht neugierig, beflügelt unsere Fantasie.
Hartwig gibt dem Pflasterstein die Möglichkeit, sich in seinem ganzen Umfang zu präsentieren: „Ein Pflasterstein will sich zeigen, wichtig machen, nicht nur die Oberfläche, sondern das volle Volumen zur Schau stellen. Von der Straße in die Galerie verrückt, sich selber hochgerückt, sich strecken, um ja wahrgenommen zu werden, einmal im Leben nicht getreten, sondern gesehen zu werden, einmal einem Zuhörer seine Geschichte erzählen zu können.“
Oberndorf/Österreich 18.12.1997–18.01.1998
Als die Oberndorfer Kulturinitiative „KNIE“ von der Gemeinde ein jahrzehntelang leerstehendes ehemaliges Zollhäuschen zur Verfügung gestellt bekommt und es in einen Ort der Begegnung für Konzeptkunst und zeitgenössische Werke verwandelt, lassen die Neider nicht lange auf sich warten. Viele Kuckucke wollen plötzlich ihre Eier in das gemachte Nest legen. – Diese aktuelle Situation greift Hartwig Mülleitner mit seiner Rauminstallation mit dem Titel „Über gelegte und ungelegte Eier“ auf.
Die miteinander verflochtenen Äste von drei Zwetschkenbäumen liefern die Grundlage für ein Nest, das mit einem Durchmesser von drei Metern den Raum zur Gänze einnimmt. In das Nest legt der Künstler drei überdimensionale weiße Gipseier, die zukünftige Arbeiten der Initiative symbolisieren. Mit einem Diaprojektor werden bereits realisierte Projekte, die „gelegten Eier“ – Ausstellungen und andere Aktionen der Kulturinitiative in der Vergangenheit –, auf die Gipseier projiziert. Nicht nur das Nest, auch die drei Stämme der Obstbäume, die den Eingang zum Pavillon blockieren, schützen symbolträchtig den Nestinhalt vor ungewollten Eindringlingen – die Installation ist nur durch Fenster und Tür zu betrachten.
Das Nest als sicherer Ort des „Ausbrütens“ kann unter anderem als Metapher für den schöpferischen Prozess in der Kunst verstanden werden. Hartwig Mülleitner interpretiert mit seinen Nestern Natur und Kulturvorgänge in der Tiefe ihrer wohl wesensverwandtesten Verflechtung. Es liegt nahe, das Nest als eigene Weiterentwicklung seiner Ringskulpturen zu interpretieren, wobei er hier bewusst die Dynamik des organisch Gewachsenen, gebunden in eine Spannung des Geflechts, einsetzt.
Salzburg/ Österreich 05.08.-15.09.2000
Bei dieser Rauminstallation für die Kunstinitiative ache 700, deren Mitbegründer Hartwig Mülleitner ist, hat sich der Künstler intensiv mit „Naturraum“ auseinandergesetzt. Er arbeitet dabei mit Schrift, als Form der Abstraktion. Geschriebene Wörter lösen dabei beim Betrachter Bilder aus, die sich mit seinem Erfahrungsschatz decken: „Wenn jemand das Wort ‚Natur‘ liest, taucht vor seinem inneren Auge sofort ‚Natur‘ auf, bzw. dass, was er darunter versteht“, erklärt Hartwig das Phänomen. Was wir als Natur kennen, hat häufig nicht mehr viel mit Naturraum in seiner
ursprünglichen Form zu tun; ist vom Menschen zivilisiert und gezähmt, bestellt und kultiviert. Diese „Kulturlandschaften“ stehen im ebensolchen Widerspruch zum eigentlichen Naturbegriff, wie das Wort „Naturraum“ ansich.
Am nördlichen Stadtrand, findet Hartwig dann doch noch ein Stück „Ur-Natur“ und sticht aus ihr die Buchstaben N A T U R aus. Er bringt den grünen Schriftzug in die Galerie und setzt das Wort R A U M darüber, welches er räumlich-dreidimensional aus Spanplatten gefertigt hat - einem ehe-
maligen Naturprodukt.
Auch wenn er durch regelmäßiges Gießen dafür sorgt, dass die Natur auch im menschlichen Schutzraum weiter wachsen kann, verändert sie sich durch den Lichtmangel, wird gelb und hat schon bald nichts mehr mit dem saftigen Grün der Außenwelt zu tun. Den Künstler reizt es, Prozesse und Veränderungen dieser Art zu provozieren und zu beobachten: „Ich habe Natur in dem Bewusstsein in den Raum gebracht, dass sich ein der Natur enthobener „Naturraum“ verändern wird“, erklärt Hartwig.
Virginia center of creative arts | Virginia/USA 1998
Das Virginiacenter for Creative Arts in Virginia/USA bietet Künstlern aus allen Bereichen – Schriftstellern, Musikern, Fotografen, Komponisten, Malern und Bildhauern – die Möglichkeit, sich für die Dauer eines Projektes einzumieten, um in Ruhe arbeiten zu können. Nachdem es einen kulturellen Austausch zwischen Virginia und Salzburg gibt, bekommt Hartwig Mülleitner die Gelegenheit, für sechs Wochen nach Virginia zu gehen, um seine Kreativität weiterzuentwickeln.
Das Erste, was Hartwig in Virginia auffällt, ist, dass es noch grüner ist als in Österreich. Ihm wird schnell klar, dass er hier mit der Natur arbeiten möchte. Seine Arbeitsmaterialien sind wie er „eingewandert“: Die Klette, die an den Füßen importierter Rinder ins Land kam und sich dort rasch vermehrte, und die japanische Pflanze Kudzu, ein schnell wachsender Parasit, der bis zu einem Fuß am Tag wuchert. Als weiteren Schwerpunkt hat er sich das Thema „Erntedank“ gewählt, den Kreislauf der Natur, der in Virginia so intensiv
spürbar ist.
In seinen Arbeiten, die in Virginia entstanden sind, versucht er die typischen Charaktere des Landes einzufangen, um sie in einer anderen Form wiederzugeben. Jedes Land hat sein eigenes Erscheinungsbild. Virginia hat das eines weiten, reich mit Pflanzen gesegneten Landes. Den Immigranten Hartwig Mülleitner interessieren vor allem jene, die – wie er – nicht in den Staaten heimisch sind. Der Ästhet Hartwig ist vom viktorianischen Baustil mit seinen weißen Häusern aus Holz, mit den Säulenveranden und den weiß gestrichenen Zäunen um die Vorgärten angetan. Und der Naturfreund ist von den großen Flächen üppiger Natur fasziniert.
Alles, was nicht mehr vom Menschen bewohnt und genutzt wird, holt sich die Natur zurück.
Innerhalb kürzester Zeit ziehen Pflanzen in und über einst urbane Lebensräume ein – die Natur als
Bindeglied zwischen Menschenwerk und Natur.
Um mit der Klette zu arbeiten, braucht es nur die Klette und keine zusätzlichen Hilfsmittel. Je nachdem, ob man junge grüne oder ältere braune Kletten nimmt, wie man sie dreht und positioniert, verändert sich die Farbe und man kann Bilder, Muster und Ebenen schaffen. Wenn Hartwig in die Natur eingegriffen hat, dann nur mit der Natur selbst, indem er die Kletten mit Pflanzensaft eingefärbt oder Gras mit in die Klettenbilder eingewoben hat. Um seine Tätigkeit und Auseinandersetzung zu unterstreichen, wurden alle Bilder mit Begriffen aus der Landwirtschaft betitelt. So heißen sie etwa „Auslese“, „Sortenrein“ oder „Weidegeflecht“.
Virginia center of creative arts | Virginia/USA 1998
Kudzu, der aus Japan gegen Bodenerosion importierten Pflanze, gab Hartwig nicht umsonst den Beinamen „die Büchse der Pandora“. Einer kleinen Naturkatastrophe gleich vereinnahmt sie innerhalb kürzester Zeit, was man nicht vor ihr schützt. Verlässt jemand für einige Wochen sein Haus, ist es von Kudzu überwuchert, wenn die Person zurückkommt. Dieses „Einnehmende“ hat Hartwig mit den Kletten nachempfunden und etwa das Geländer seiner Veranda und einen Stuhl, der Kudzu-Invasion nachempfunden, mit Kletten überwuchert – nach dem Motto: Die Natur holt sich im Endeffekt alles zurück. Für die Einheimischen ist Kudzu eine Horrorpflanze und Plage – Mülleitner empfindet es als tröstlich, dass sich die Natur nicht so leicht besiegen lässt, dass sie sich ihren Raum zurückholt – und am Schluss das letzte Wort hat. „Und wenn wir alles andere zerstört haben, ich bin mir sicher, eine so lebensstarke Pflanze wie Kudzu überlebt“, ist der Künstler überzeugt.
Virginia center of creative arts | Virginia/USA 1998
Den dritten Teil seiner Arbeit widmet Hartwig dem Erntedank. In Virginia gibt es unheimlich fruchtbare Lösserde. Sonnenschein und Regen sind die besten Voraussetzungen dafür, dass hier alles blüht und gedeiht. Aus dieser Erde, Gras und Pflanzensamen hat der Künstler Früchte geformt. Überdimensionale Äpfel und Birnen, die mitten auf der Wiese „wachsen“. Die erdenen Obstskulpturen wurden von der Sonne getrocknet und von Wind und Regen der Erde zurückgegeben: DieNatur gibt es, die Natur nimmt es. Ein paar mitverarbeitete „Morning Glory“-Samen, eine wunderschön blühende heimische Pflanze, erinnern jetzt an einigen Stellen mitten auf dem Rasen an diese Arbeiten. Die Idee dahinter ist der sorgsame Umgang mit der Natur und das ausgeglichene und natürliche Verhältnis von Nehmen und Geben. Der natürliche Kreislauf der Natur.
Erdfrüchte
Einst Pflanzen und Tiere,
zu Erde verrottet,
mit Gras bedeckt,
das blutige Rot versteckt.
In der Erde gewühlt,
geschürft,
dem Boden entnommen,
eine neue Form gewonnen.
Eine Knospe geformt,
die zur Frucht wuchs,
groß und prall -
- einst eine Frucht,
aus Erde geschaffen,
groß und rot.
Vom Regen erweicht,
verformt, zerstört.
als Frucht nun
nicht mehr geehrt.
Zu Erde verrottet,
mit Gras bedeckt,
das blutige rot versteckt.
Hartwig Rainer Mülleitner
Kraftwerk Riedersbach/ Internationales Stahlsymposium 29. August 2014