Lieferinger Gemeindeplatz | Salzburg/Österreich 2004
Liefering ist ein Salzburger Stadtteil, dessen Ortskern lange durch die Autobahn von der Stadt getrennt war. Als nun vor wenigen Jahren ein Lärmschutztunnel gebaut wurde, entstand auf dem Tunnel eine neue Fläche, die der Ortschaft zur Verfügung steht. Die Fläche wurde als Sport- und Festwiese genutzt und ein großer Spielplatz gebaut – und endlich ergab sich die Möglichkeit für einen eigenen Dorfplatz.
Bei Grabungen wurden alte römische Steine geborgen. Die Steine, im Format zwischen 60 x 60 x 60 cm und 60 x 60 x 230 cm, waren grob zugespitzte Blöcke aus Untersberger „Marmor“. Dadurch, dass sie so lange geschützt unter der Erde lagen, waren sie in einem erstaunlich guten Zustand. „Die Steine schauten so aus, als hätten die Handwerker, die sie bearbeitet haben, erst gestern das Werkzeug aus der Hand gelegt“, erzählt Hartwig begeistert. Umso mehr empfindet er es als Ehre und Wertschätzung, dass ihm der Auftrag erteilt wurde, mit dem historischen Material einen Brunnen zu bauen.
Die ursprüngliche Aufgabe, die Steine „zu platzieren und Wasser darüberlaufen zu lassen“, ist dem Künstler dann doch zu wenig Herausforderung. Um die Steine aber zu bearbeiten, hat er zu viel Respekt vor ihrem Alter. In der Auseinandersetzung mit der Geschichte rund um Liefering gelangt er schließlich zum Thema „Weg“ (auf Lateinisch „via“): Da gibt es den Ansatz, dass Liefering durch die Autobahn getrennt und durch den Tunnel geeint wurde. Ein weiterer Aspekt ergibt sich aus der Geschichte: An dem Ort Liefering war eine römische Siedlung an dem historischen Römerweg zwischen Juvavum und Augsburg. Und schließlich kann man mit „via“ auch sprachlich spielen: „in via“ bedeutet „auf dem Weg“ – ein neuer Weg, über den man nach Liefering gelangt. Hartwig lässt aber auch die Geschichte der Steine in seine Arbeit mit einfließen: Es dauerte lange Zeit, bis die Steine entdeckt und an das Tageslicht gehoben wurden. Zuerst noch fast eins mit der Erde, erheben sich die Steine immer mehr, treten hervor, bis sie schließlich frei für jeden sichtbar stehen – in der unruhigen, rhythmischen Bewegung des Wassers. Das Wasser, als Symbol für Zeit und Bewegung, wirkt dabei als dynamisches Element: Es scheint die Steine zu heben.
Die Steine stehen auf Edelstahlrohren. Diese werden so von einem Düsenkranz umspielt, dass es aussieht, als würden die Steine vom Wasser getragen. Besonders eindrucksvoll wirkt das Wasserschauspiel in der Nacht, wenn das hochspritzende Wasser über eine Glasfaserlichtleitung direkt eingeleuchtet und die Wahrnehmung von Bewegung dadurch noch gesteigert wird. Der Künstler spielt hier erneut mit dem Spannungsverhältnis von Masse und Leichtigkeit.
Hartwig ist es wichtig, einen Brunnen zu gestalten, den man benutzen kann – nichts „Abgehobenes“, sondern etwas „Volksnahes“. Nichts, was fernhält (etwa durch einen hohen Brunnenrand), sondern vielmehr einlädt, zum Beispiel um darin herumzuplanschen. Dieses Anliegen hält er auch im Winter aufrecht, indem der Brunnen nicht hinter einem Bretterverschlag verschwindet, sondern auch in der kalten Jahreszeit als Skulptur im Wechselspiel zwischen grazilen Edelstahlsäulen und grob zugehauener steinerner Masse fungiert.
Zusätzlich zu dem Brunnenprojekt wurde Hartwig Mülleitner gebeten, sukzessive die gesamte Platzgestaltung zu übernehmen: von der Pflasterung des Dorfplatzes über die „Kommunikationsecke“ und die behindertengerechte Bankgestaltung, für die er, wie beim Brunnenbau, die übrig gebliebenen Römersteine verwendete. Auch in diesen Details erschließt sich dem Betrachter das Prinzip des Teilens und Zusammenfügen.